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1923 bis 1933

Familie gut, alles gut

Erna de Vries wurde am 21. Oktober 1923 als einziges Kind von Jacob und Jeanette Korn in Kaiserslautern geboren. Erna hatte eine schöne, unbeschwerte Kindheit.

Ihr Vater Jacob kam aus einer Bauernfamilie und hatte zehn Geschwister. Er lernte Ernas Mutter Jeanette, geborene Löwenstein, in Bonn kennen. Dort hat sie gearbeitet. Die beiden haben geheiratet – auch wenn ihre Familien nicht wirklich begeistert waren. Ernas Vater war christlich, ihre Mutter jüdisch. Damals galt dies als sogenannte ›Mischehe‹. Die Religion war Erna selbst aber total egal:

»Dadurch, dass meine Eltern verschiedenen Religionen angehörten, hatte es für mich keine Bedeutung. Ich wusste schon darüber Bescheid, aber merkwürdigerweise ist das so abgepurzelt.«

Ernas Vater machte sich mit einem Geschäftspartner selbstständig und eröffnete einen Speditionsbetrieb in Kaiserslautern. Der Familie ging es gut. Erna wollte später unbedingt Ärztin werden. Und das hat sie schon mal geübt, indem sie sich selbst oder ihren Puppen Verbände angelegt hat. 

Nachgefragt

Es lief soweit alles gut für die junge Erna – bis im Jahr 1931 der erste Schicksalsschlag die Familie ereilte: Als Erna knapp sieben Jahre alt war, starb ihr Vater Jacob an einem Herzfehler. Erna sagte uns, dass es sehr schwer für sie und ihre Mutter gewesen sei, »dass (der) Vater starb, der geliebte Mann und Vater, der Ernährer und Beschützer.« Ernas Vater war außerdem derjenige, der den Familienbetrieb geleitet hat. Diesen musste dann Ernas Mutter Jeanette übernehmen und mit dem Geschäftspartner weiterführen. Das ging bis 1933 gut. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Nationalsozialist*innen an die Macht kamen.

Hör in das Gespräch zwischen Bernadette und Domenic rein, um mehr über die Machtübernahme der Nationalsozialist*innen zu erfahren!

Das Gespräch zum Nachlesen

Bernadette: Hey Domenic – ich brauch mal deine Gedanken zum Thema Machtübernahme der Nationalsozialist*innen. Es war ja so, dass die NSDAP und damit auch Hitler demokratisch gewählt wurde und dadurch an die Macht kam, richtig?

Domenic: Hi Berni! Genau. Die NSDAP hat bei den Reichstagswahlen im November 1932 über 33% der Stimmen geholt. Hitler bestand dann darauf, zum Reichskanzler ernannt zu werden. Der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg hat sich da erstmal lange geweigert, dann aber doch nachgegeben. Der Gedanke dahinter: Hitler könne umgeben von der restlichen Regierung keine große Gefahr darstellen und sich so eher kontrollieren lassen. Deshalb ernannte Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler. 

Bernadette: Das war ja mal ne gewaltige Fehleinschätzung. Aber welcher Begriff ist jetzt der richtige oder der passendste für das Ereignis: Machtübernahme, Machtergreifung, Machtübergabe …? Da schwirren ja einige rum und ich blick da nicht ganz durch.

Domenic: Das ist auch in der Historiker*innenszene umstritten. Den Begriff Machtübernahme nutzte die NSDAP bewusst, um den Eindruck eines friedlichen Vorgangs zu wahren - klingt insgesamt eher ungenau. Der Begriff ›Machtergreifung‹ suggeriert, dass die Nationalsozialist*innen einen sehr aktiven Part übernommen hätten, während die Bevölkerung eher passiv gewesen wäre. Das ignoriert die Tatsache, dass weite Teile der Bevölkerung die Ziele der NSDAP getragen haben; der Begriff klingt also apologetisch.

Bernadette: Also treffen wir mit ›Machtübergabe‹ eigentlich den Kern, weil die Regierungsmacht am 30. Januar 1933 an Hitler übergeben wurde, indem er erst demokratisch gewählt und dann offiziell zum Reichskanzler ernannt wurde. Und das war dann der Anfang vom Ende – vom mörderischen NS-Staat. 

Domenic: Richtig. Von da an sicherten sich die Nationalsozialist*innen ihre Macht vor allem durch Gesetze. Das war ein längerer Prozess, aber im Sommer 1934 war dann alles besiegelt.

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