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Die Jahre 1945 bis 2021

Was macht Erna nach der Befreiung?

Sofort nach der Befreiung haben sich Erna und Ernas Freundinnen gewaschen.
Es gab leider keine Seife.
Deshalb konnten Erna und Ernas Freundinnen nur den groben Dreck wegwaschen.
Im Konzentrationslager konnten sich die Häftlinge gar nicht waschen.
Das Waschen hat Erna und Ernas Freundinnen gutgetan.
Jetzt haben sich Erna und Ernas Freundinnen wieder wie Menschen gefühlt.

Erna und Ernas Freundinnen sind dann nach Mecklenburg-Vorpommern gegangen.
Mecklenburg-Vorpommern ist heute ein Bundes·land von Deutschland.
Dort waren Erna und Ernas Freundinnen ein paar Wochen.
Erna und Ernas Freundinnen hatten immer noch ein schweres Leben.
Erna und Ernas Freundinnen mussten in Scheunen schlafen.
Und Erna und Ernas Freundinnen mussten um Essen betteln.
Nach einiger Zeit war Erna nur noch allein unterwegs.
Ernas Freundinnen waren woanders hingegangen.
An einem Tag hat Erna dann bei einer Frau um Milch gebettelt.
Die Frau hat Erna Milch gegeben.
Aber die Frau hat Erna noch mehr gegeben.
Erna durfte eine Zeit bei der Frau wohnen.
Erna hat dann bei der Frau im Haushalt geholfen.

Aber im November 1945 ist Erna wieder zurück nach Kaiserslautern gezogen.
Erna wollte nämlich unbedingt Verwandte finden.
Viele Verwandte von Erna waren gestorben.
Und Erna hatte keine Geschwister.
Aber Erna hat eine Tante in Köln gefunden.
Deshalb ist Erna zu der Tante nach Köln gezogen.
Dort hat Erna auch einen Mann kennengelernt.
Der Mann war Joseph.
Erna und Joseph haben später geheiratet.
Dann sind Erna und Joseph nach Niedersachsen gezogen.
Erna und Joseph haben 3 Kinder bekommen:

  • Lea

  • Karl

  • Ruth

Bernadette und Domenic sprechen über eine wichtige Frage:
Wie erinnern die Menschen in Deutschland an die Nazi-Zeit?
Dieses Gespräch ist nicht in Leichter Sprache.

Das Gespräch zum Nachlesen

Dieser Text ist nicht in Leichter Sprache.

Bernadette: Ich finde es ja schon sehr krass und bemerkenswert, dass zahlreiche Überlebende nach dem Holocaust in Deutschland geblieben sind, wie Erna und ihr Mann z.B. Es ist ja nicht so, als ob der Antisemitismus und vor allem die Antisemit*innen in Deutschland auf einmal alle weg sind, nur weil der Krieg vorbei ist. 

Domenic: Voll. Viele von ihnen sind sogar direkt nach dem Krieg weiterhin in wichtigen Positionen, wie z.B. als Beamte, Polizist*innen, Ärzt*innen oder Politiker*innen tätig gewesen. Auch antisemitische Vorfälle waren nach dem Krieg nicht passé, sondern immer wieder Thema in Deutschland. Zum Beispiel wurden an Weihnachten 1959 Hakenkreuze an die Kölner Synagoge geschmiert. Der Antisemitismus war Teil der deutschen Gesellschaft, sowohl in West als auch Ost. Es lassen sich daher ganz viele Kontinuitätslinien aus der Zeit des NS bis ins Heute ziehen. 

Bernadette: Das ist schon krass. Ich muss auch direkt an rechtsextreme Attentate denken, wie in Rostock Lichtenhagen 93, durch den NSU in den 2000ern oder an den Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019. Und all das in Deutschland, dem ›Erinnerungsweltmeister‹. 

Domenic: Ja, trotz offenkundigen Problemen mit Rechtsextremismus hat die Erinnerung an den Holocaust in Deutschland einen besonderen Stellenwert. In der BRD bzw. Westdeutschland lag der Fokus der Politik und der Gesellschaft bis in die 1980er Jahre, manche sagen kritisch, auch heute noch, auf der sogenannten ›Vergangenheitsbewältigung‹. Also eher einer Phase des Vergessens bzw. Verdrängens und des Schlussstrichs. 

Bernadette: Das hören wir ja auch heute noch häufiger, die Forderung eines Schlussstrichs. Aber wie kams denn damals zum Wandel? Also zumindest in der Bundesrepublik. Schlechtes Gewissen?

Domenic: Nein, tatsächlich war der Auslöser eher die TV-Serie Holocaust, die 1979 in Westdeutschland ausgestrahlt wurde. Durch sie ist auch die Bezeichnung Holocaust so gebräuchlich. Anschließend war der Umgang mit der Erinnerung an eben diesen großes Thema in der Gesellschaft und in der Wissenschaft. Im sogenannten ›Historikerstreit‹ wurde über die Identität der Bundesrepublik gestritten und am Ende wurde festgestellt, dass die Erinnerung an den Holocaust prägend für die Bundesrepublik ist. 

Bernadette: Und das sehen wir ja bis heute deutschlandweit, vor allem an Gedenktagen. Oder wie bei uns als ZWEITZEUGEN e.V. gibt es ja auch viele auch Organisationen und Initiativen, die sich das Erinnern zur täglichen Aufgabe gemacht haben. 

Erna sagt zu diesen Erlebnissen:
Ich habe viel Schlimmes erlebt.
Aber ich habe nie jemanden gehasst.
Ich habe die Deutschen nie gehasst.
Ich kenne keinen Hass.

Aber die schlimmen Erlebnisse haben Erna verändert.
Erna ist mit anderen Menschen sehr vorsichtig geworden.
Erna hat gedacht:
Vielleicht behandeln mich andere Menschen wieder schlecht.
Erna war trotzdem freundlich zu anderen Menschen.

Erna sagt über die Erlebnisse:
Menschen müssen sich näherkommen.
Schweigen hilft uns Menschen nicht.

50 Jahre hat sich niemand für die Erlebnisse von Erna interessiert.
Nur mit Joseph konnte Erna über die Erlebnisse reden.
Das Reden hat Erna und Joseph geholfen.
Ernas Kinder haben erst als Erwachsene von den Erlebnissen erfahren.
Erna hat erst 1998 öffentlich die Erlebnisse erzählt.
Dann hat Erna immer wieder Schülern von den Erlebnissen erzählt.
Erna ist am 24. Oktober 2021 gestorben.
Erna ist 98 Jahre alt geworden.

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